Die Aernis von Bolligen
Auf den Spuren des Ursprungs


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Andres Ärni *ca. 1630

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Sepiaaquarell von August Gruner, gemalt ca. 1834
Als Vorlage diente ein Aquarell des bekannten Architekturmalers Albrecht Kauw
​​​​​​​Das dreistöckige Gebäude an der Worblen ist die Hammerschmiede

Am linken Aareufer, gegenüber Bern, liegt die Ortschaft Worblaufen. Im 16.-17. Jahrhundert liessen sich im Worblental die ersten Gewerbe- und Industriebetriebe der Stadt Bern nieder: Papier- und Pulvermühle, Huf-, Sense-, Hammer-, Kupfer-, Büchsen-, Waffen- und Goldschmiede usw. Diese Betriebe brauchten Spezialisten sowie auch unqualifizierte Arbeitskräfte, dies zog Leute aus verschiedenen Gegenden hierher. Ein Teil von ihnen fand Arbeit und liess sich hier auch nieder. Die Restlichen ohne Arbeit und Bleibe bettelten und stahlen. Das ärgerte natürlich die hier sesshaften Bauern, die schliesslich in den Gemeinden das Sagen hatten! Das fremde Bettelvolk wurde fortgejagt, die Handwerker jedoch geduldet. Dieses «nur geduldet werden» veranlasste wohl viele dieser zugezogenen Handwerker, ihre Kinder nicht in der Gemeindekirche, sondern im Berner Münster oder in der Nydegg-Kirche taufen zu lassen. Die Gemeinde Bolligen mit ihren vier Vierteln (Ittigen, Bolligen, Ostermundigen, Ferenberg) gehörte noch zum Stadtgericht und wurde von Bern direkt regiert. Im 17. Jahrhundert gehörte Worblaufen zur Gemeinde Bolligen (Viertel Ittigen).

Der Familienstamm «AERNI» hat seine Wurzeln Anfang des 17. Jahrhunderts in der Umgebung von  Bolligen geschlagen. In Worblaufen, dem gewerblichen Teil der Gemeinde, hat sich unser Urahn Andres Ärni ca. 1650 niedergelassen und sich dort vom Sägisenschmied zum Hammerschmied-Meister hochgearbeitet. Unser direkter Stammbaum beginnt somit mit diesem Andres Ärni, über den eine Menge von Einträgen in den Chorgerichts-Manualen und weiteren schriftlichen Dokumenten vorliegt. Die wichtigsten Papiere berichten über die Erwerbung des Heimatrechtes in der Gemeinde Bolligen im Jahre 1692. Von Andres Ärni führen lückenlose Verbindungen bis in die heutige Zeit.

Wie sieht es aber vor 1650 aus? Es gibt noch viele offene Fragen. Der 30-jährige Krieg tobte bis 1648. Viele Menschen suchten eine neue Existenz aufzubauen und flüchteten vom Norden auch in die Schweiz oder kehrten in die Schweiz zurück. Bis heute kennen wir nur den Namen der Mutter von Andres. Kam sie nur mit Andres oder zusammen mit weiteren Kindern und Verwandten in die Gegend von Bolligen?

In der Nachbarsgemeinde Zollikofen gibt es einen fast identisch grossen Zweig mit den «Aerni von Zollikofen». Die Einbürgerung erfolgte sehr spät (erst nach 1750) aber der älteste Eintrag geht ebenfalls zurück bis 1632. Eintrag im Taufrodel von Bremgarten (Zollikofen) 1632: Daniel Ärni und Christina , geb. Franz, taufen ihren Sohn Daniel.

Ein «Friedrich Ärni des Rychenbach» verheiratet mit Rebecca Galander tauften ihren Sohn Samuel 1672 im Münster Bern und ihre Tochter Dorothea 1675 in Bolligen. Rychenbach befindet sich keine 2 Kilometer nördlich von Worblaufen und grenzt ebenfalls an die Aare.

Als sehr nützlich erweisen sich die neu angefertigten Register in den Rödeln des Berner Münsters.
Ausburger Taufrodel von 1577-1628: 4 Taufeinträge von Kindern des Andres Ärni, einem Ziegelknecht:
Barbel 1583, Vreni 1585, Cathrin 1586 und Andres 1587.

Ausburger Taufrodel von 1629-1649:
7 Taufeinträge von Kindern(1629 bis 1638) des Peter Ärni (Erni) von Signau, verheiratet mit Margreth, geb. Felber. Leider ist in der Gemeinde Signau genau das Kirchenbuch vom Ende des 16. Jahrhunderts bis 1650 mit allen Tauf- und Eheeinträgen, schon seit langer Zeit abhanden gekommen.

Es ist durchaus möglich (aber nicht belegt), dass Peter, Daniel und der Vater von Andres Brüder sein könnten oder aus der gleichen Familie stammen. Ein weiterer Anhaltspunkt geben uns die Familiennamen ihrer Ehefrauen: Franz, Felber,  Hauser und Galander stammen alle aus dem süddeutschen Raum.
Diese vielen offengelassenen Fragen werden mich in den kommenden Jahren nicht zum arbeitslosen
Familienforscher verkommen lassen!

Die Entwicklung unserer Familiengeschichte lässt sich in drei unterschiedliche Zeitabschnitte aufteilen:
1630 - 1745 Hammerschmied Andres Ärni in Worblaufen und die drei nachfolgenden Generationen.
1745 - 1891 Jean Jacques und seine Nachkommen, die bis 1891 auf dem Ferenberg Ackerbau und Forstwirtschaft betrieben.
1891 - 1998 Familienzweige mit ihren facettenreichen Berufsgattungen.

Kartenausschnitt  der Kirchgemeinde Bolligen, den der Geometer Jakob Schuhmacher 1813 aufgenommen und 1814 ausgeführt hat.

1)  Die Hammerschmiede in Worblaufen, wo Andres Ärni ab ca. 1650 als Hammerschmied tätig war.

2)  Unterhalb der Papier-mühle steht das grosse Taunerhaus, von dem Jakob Ärni im Jahre 1736 einen Teil erwarb.

3) «Im Aespliz» an der Hauptstrasse oberhalb der Papiermühle steht das später vom gleichen Jakob Ärni erworbene Tagenerhaus.

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Unser Urvater Andres Ärni

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uff Sontag den 8. 10bris sind vor Chorgricht erschinnen Andres Erni ein frömder Sägysenschmid uss Margraffenland zu Worlouffe und Katrin Grim von Dürrenrot des papyrer Meysters by der papyrmüli dienstmagd, wegen das sy einanderen uff martini nechst vergangen zum mitlen Ländern die Ehe versprochen worden der Jüngling der magd ein Venezianische Silberkronen uff die Ehe gäben doch mit vorbhalt des Jünglings fründen darnach am Donstag die magt den Jüngling ledig gsprochen werd und das gelt widergeben in bysin Bat des Schankbades paaren zu Worlouffen.

Andres Ärni
​​​​​​​Mit Andres Ärni beginnt die dokumentarisch belegbare Familiengeschichte der Aernis von Bolligen. Nach mehr als 40 Jahren Aufenthalt in Bolligen wurde er 1692 mit seiner Familie eingebürgert und erwarb damit auch das Heimatrecht für alle seine Nachkommen.

Der älteste Eintrag über Andres Ärni stammt aus dem Jahre 1650 und befindet sich im ersten Chor-
gerichtsmanual von Bolligen. Beschrieben wurde er zu dieser Zeit als «ein frömder Sägysenschmid  uss Margraffenland zu Worlouffe». Was für eine reichhaltige Beschreibung!

Ein frömder: er ist folglich nicht in Bolligen geboren und sein Vater stammt (mit grosser Wahrscheinlichkeit) auch nicht von hier.
Sägisenschmid: wir kennen seinen Beruf, ein Senseschmied.
uss Margraffenland: wir wissen woher er gekommen ist. Das Markgrafenland liegt nördlich von Basel, gegenüber dem Elsass, auf der rechten Seite des Rheins.
zu Worlouffe: wir kennen seinen Wohnort, Worblaufen

Sein Alter
In diesem Chorgerichtseintrag geht es um die Auflösung des Eheversprechens, das er der Katrin Grim in Form einer venezianischen Silberkrone gegeben hat. Er wird mit «Jüngling» erwähnt und wir kennen sein ungefähres Alter. Er wird um die 20 gewesen sein. Sein Geburtsjahr kann somit mit ca. 1630 angegeben werden.
seine Mutter
Den Vornamen seines Vaters habe ich in keinen Schriften gefunden. Am 10. August 1667 aber wird
Andres Ärni zusammen mit seiner Mutter «Christine Hauser» vor Chorgericht zitiert.
(Zur damaligen Zeit nahm die Ehefrau nicht den Namen Ihres Mannes an).​​​​​​​


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1654
Eintrag im Eherodel über die geschlossene Ehe zwischen Andres und Anna

seine Ehefrau
Im Eherodel «Der in der Kirche zu Bolligen geschlossenen» (1654) fand ich den Eintrag: «Uff frytag den 28. Aprilis Andres Erne der Sägysen Schmid zu Worlouffen und Anna Grog». Ab dem Jahr 1658 wird aber «Grogg» geschrieben. Frauen wurden vom Pfarrer meistens nicht mit vollem Namen genannt. Oft ist in Chorgerichtseinträgen zu lesen «und ze frouw» oder er schreibt wie bei Anna Grog im Jahr 1681: «so solle sie keinen anderen weiber beschickt darzu als die in Ehrbarkeit darzu bestellet namlich des Ärnis frouw und des Glausers frouw beidt zu Worlauffen». Hier handelt es sich darum, dass das Chorgericht bei zweifelhafter Vaterschaft zwei Frauen bestimmte, die eine werdende Mutter wärend den Geburtswehen noch einmal nach dem Vater des Kindes befragen sollten. Über Anna fehlen weitere ausführliche Angaben. Mit grosser Wahrscheinlichkeit handelt es sich um die Tochter von Peter Grog «zum Gabrielstor, Husmann by dem Badhaus». Sein Sohn  Johannes Grogg, wurde am 25. Juli 1677 «gegen Erlegung von 4 Kronen Einzugsgeld zu einem (Bolliger-) Burger angenommen». Die Familie Grogg hat auch mit  der Hammerschmiede in Worblaufen zu tun.

seine Kinder
Andres Ärni und Anna Grogg hatten zehn Kinder. Sechs wurden in Bolligen und vier im Münster zu Bern getauft. Nur vom Erstgeborenen Samuel und von Anna weiss man, dass sie erwachsen wurden und heirateten. Anna hat bis zu ihrer Heirat mit Niclaus Schori (1689) «in der Stadt (Bern) gedient». Im Jahre 1682 steht in einem Chorgerichtseintrag: «...und des Ärnis Sohn von Worlauffen ...gedanzet...» Hier kann es sich nur um Andres jun., Jakob oder Hans Rudolf handeln. Johannes, geb. 1657, ist früh gestorben, denn 1668 wurde wieder ein Sohn auf den Namen Johannes getauft. Von den übrigen Kindern verliert sich jede Spur. Sie sind entweder ausgewandert, ledig geblieben oder gestorben. Zu dieser Zeit war die Kindersterblichkeit jedoch sehr hoch, man rechnet, dass nur die Hälfte der Kinder das Alter von 10 Jahren erreichten.

seine Bekannten
Interessant ist das Umfeld von Andres. Schon im Jahre 1655, stehen ihm bei der Taufe seines ersten Sohnes Samuel drei hochrangige Taufpaten zur Seite: Hr. Samuel Koch Papyrer Her, Hr. Samuel Gruner und Maria Pastor, die Frau von Hans Grossmann dem Kupferschmidmeister. (Nur hochstehende Personen und Burger von Bern wurden damals mit Herr angesprochen). Beim zweiten Sohn Andres, 1656, war ein Berner Aristokrat Hr. Beath Herpolt, Stattschlosser zu Bern und ein Bernburger Mr. Isaak Dumpert «Huswirt zu Räblüthen» Taufpaten. Unter den  Taufpaten seiner weiteren acht Kinder befinden sich viele Bernburger und Meister sowie Lucia Tillier, die Frau des Münzmeisters.

Auch bei der Taufen seiner Enkel und Urenkel ist diese Tendenz zu beobachten. Bei den zwei ersten Kindern von Samuel, Niclaus 1683 und Bendicht 1685, stehen die Castlane von Frutigen, Herr Niclaus Sinner und Herr Bendicht Rohr, als Taufpaten. Den Landvogt nannte man im Amte Frutigen «Castlan».

Bei Catharina, der letzten Tochter von Niclaus, ist 1718 der Spengvogt Götti. Bei Madelaine, der Tochter von Bendicht, steht 1711 als Taufpatin «Mme la Chatelaine Mestrezat, Madelaine Panchaud» aus Echallens. «La Chatelaine» ist die Schlossherrin. Einen Doppelnamen erhielt 1718 Rosina Barbara, die Tochter von Christen von den zwei Taufpatinen: Rosina von JgFr. Rosina Ernst und Barbara von JgFr. Barbara Judith von Zürich, beides angesehene Geschlechter. Das Trio der Taufpaten ergänzte Hl.Von Müller Landvogt von Interlacken.

die Einbürgerung
Früher benutzten die Chorrichter jede Kleinigkeit, um ihre Schützlinge vor das Chorgericht zu zitieren. Es war ja auch eine der fruchtbarsten Einnahmequellen der damaligen Zeit. So erlebte auch Andres einige Male diese Prozedur. All die kleinen Unstimmigkeiten mögen dazu beigetragen haben, dass Andres sich nicht sehr gut mit dem Pfarrer verstand. Dieser war nämlich nicht gewillt, Andres mit den seinigen als Burger aufzunehmen, obwohl die Allmosen-Kammer in Bern dies schon 1692 verordnet hatte. Im Burgerbuch von 1700 erscheint sein Eintrag im zweiten Teil mit 34 weiteren Namen unter dem Kapitel «wegen streitigen Heimathrechten zu Bolligen». In einer etwas später erstellten Burger-Liste wird bei Ärni trotzdem das Jahr 1692 als Einbürgerungsjahr angegeben. Von diesen streitigen Fällen wurden 17, fast die Hälfte, tatsächlich nicht eingebürgert. Mehr über die Einbürgerung erfahren Sie im Kapitel 3 «Amt und Sitten».


Sein Beruf und die Hammerschmiede
Schon früh wurde Andres Meister. Beim Taufrodel-Eintrag seines ersten Sohnes Samuel, 1655, wird er
als «Mr. Andres Erne dem Sägysen Schmid» betitelt. Später wurde Andres Ärni bei den Einträgen im Chorgerichtsmanual wie auch in den Taufrödeln als «der Hammerschmid» und ab 1663 als «Meister Hammerschmied» bezeichnet.Aus den Berichten über die Hammerschmiede in Worblaufen ist ersichtlich, dass von 1663 bis ca. 1710 eine Lücke besteht, in der man nicht präzise weiss, wer diese Hammerschmiede betrieb.

Über die Hammerschmiede Worblaufen sind von Historiker Christian Lerch, der im Jahre 1944 aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums für die Hammerwerke Müller die Festschrift verfasst hat, und von Dr. Hans Gugger, der in seinem Ittigen-Buch ebenfalls ausführlich über diese Hammerschmiede berichtet, folgende Fakten bekannt:

• Im Jahre 1563 kaufte der Bernburger Niklaus Wymann die Hammerschmiede, um hier eine Senseschmiede einzurichten, weil die fremden Sensenhausierer so viel gutes Geld aus dem Land trugen.

• Im Jahre 1578 ging die Hammerschmiede in den Besitz des Jakob Hess über.

• Im Jahre 1615 verkaufte Niklaus Hess - wohl der Sohn des Jakob - den Betrieb der städtischen Hufschmiedgesellschaft, die sich in frühen Jahren ja so bemüht hatte, die Tätigkeit der Schmiede in Worblaufen einzuschränken. Wie diese Zunftgesellschaft die Hammerschmiede durch einen vermutlich weitgehenden Neubau 1615/16 zur Sensenschmiede umfunktionierte, ist bis in alle Einzelheiten im «Registerbuch, in welchem verlybet, was E.E.Gesellschaft zun Schmiden zu Anrichtung der Sägessenschmitten zu Worblouffen für umbcosten gehept» dokumentiert.

• Recht häufig sind in dieser Zeit in den Chorgerichtsmanualen Namen von Handwerkern anzutreffen. Doch ist auch hier nicht eindeutig festzustellen, ob es sich um den Meister - den Unternehmer - oder den Gesellen handelt. So ist 1626 vom Heinrich Kohler, der in der Hammerschmitten zu Worblaufen  verbotenerweise Wein ausschenkt, die Rede. Um 1640 wird der alte Hammerschmied Rieder erwähnt. 1648  und später noch mehrmals muss der offenbar streitsüchtige  Büchsenschmied Hans Urach Hartmann vor Chorgericht erscheinen.

• Von der unteren Hammerschmiede, der ehemaligen Sensenschmiede, hören wir im Jahre 1649, dass sie Hans Reinhard - er war Mitglied der Gesellschaft zu Schmieden - dem Hans Grossmann verkaufte, von dem sie aber schon bald an Jakob Wyss überging, der jedoch 1663 in Konkurs geriet.

Also, bis 1663 ist alles lückenlos aufgeführt. Die 40 folgenden Jahre blieben etwas im Dunkeln. Um
diesen Zeitabschnitt etwas aufzuhellen folgt die Zusammenfassung von bereits bekannten und neu
gefundenen Fakten:

• Im Jahre 1654 heiratet Andres Ärni in Bolligen Anna Grogg. Anna stammt aus der Familie Grogg,
die später über Generationen Besitzer der Hammerschmiede waren.

• Im Jahre 1655 ist Maria Pastor, die Frau von «Mr. Hansen Grossmann Kupferschmied» Patin von
Samuel Ärni, dem ersten Sohn von Andres und im Jahre 1660 ist eine Barbara Grossmann Patin. Hans Grossmann war Besitzer der Hammerschmiede ab 1649, d.h. er hat vermutlich Andres um die Zeit von 1650 bei sich angestellt.

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Hammerschmiede. Der Holzschnitt (Strass­burg 1488) entstand in einer Zeit, als in Worblaufen der erste «Hammer» erwähnt wird. Der durch ein unterschlächtiges Wasserrad getriebene Wellbaum ist mit Nocken versehen, die das hintere Ende des Schwanzhammers niederdrücken und anschliessend den Hammer auf das Schmie­­de­gut fallen lassen.

• Am 16. August 1663 wird Andres im Chorgerichtsmanual als «Hammerschmied» bezeichnet. Am 23. August und 13. September 1663 steht  bereits «Mr. Andres Ärni». Es ist also belegt, dass er zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit ein «Meister» war..


• Im Jahre 1666 wird zum ersten Mal der Name Grogg in Zusammenhang mit der Hammerschmiede erwähnt: der Hammerschmied Knecht Ulli Grogg schwängert fast gleichzeitig zwei Frauen. Das Chorgericht entscheidet, dass er die erste zur Frau nehmen muss. Es handelt sich um Barbara Hess, einer Familienangehörigen des ehemaligen Hammerschmied-Besitzers Niklaus Hess. Siehe Kapitel «Amt  & Sitten«.

• Im Jahre 1671 wird ein Jakob Reinlin im Chorgerichtsmanual als Hammerschmied erwähnt.

• Andres Ärni wird auch für eine Zeit an die dem Staat gehörende Schmiede an der Matten in Bern gerufen. Beim Taufeintrag seines letzten Kindes im Dezember 1676 wird er als «Hammerschmied an der Matten» genannt. Die Arbeitsaufnahme dürfte zeitlich aber früher liegen, denn seine letzten Söhne wurden ebenfalls im Berner Münster getauft,  Johannes im April 1668 und Wilhelm im Juni 1670.

• Samuel Ärni, der erste Sohn von Andres heiratet im Dezember 1679 in Bolligen Catharina Grogg. Sie werden bald darauf Worblaufen verlassen haben, denn alle  ihre vier Kinder sind in der Zeit von 1683 bis 1691 in Frutigen getauft wurden.

• Im Jahre 1682 werden unter anderen ein «Meister Stephan Reynli» sowie ein Sohn von Andres wegen «Festen und Tanzen» vor Chorgericht zitiert.

• Im Jahre 1683 wird zum ersten Mal der Hammerschmied Hans Grogg erwähnt.

• Am 1. Februar 1685 wurde eine ganze Reihe von jungen Leuten vor das Chorgericht aufgeboten, weil sie im Wirtshaus bei der oberen Papiermühle «zunacht getrunken und gedantzed und das vor der heilige Weihnachtzeit». Darunter befand sich auch die Tochter von Andres das Anni. Andres wird hier mit der Ortsangabe «bym Schermen» bezeichnet. Der «Schermen» liegt zwischen der Wegmühle und der Papiermühle. Demzufolge wohnte Andres nicht mehr bei der Hammerschmiede in Worblaufen.

• Erst aus einem Kaufvertrag aus dem Jahre 1710 geht klar hervor, dass Jakob Grogg, geboren 1669, ein Sohn von Hans Grogg, rechtsmässiger Besitzer der Hammerschmiede ist.

• Während fünf Generationen bleibt die Hammerschmiede im Besitz der Familie Grogg. Nachfolger waren 1839 zwei Verwandte der Gattin von Johann Rudolf Grogg: Johannes und Rudolf Müller von Tolochenaz bei Morges. Die heutigen Besitzer sind die Nachkommen dieser Familie Müller.

Zusammenfassend kann man aus diesen Punkten schliessen, dass Andres nie Besitzer der Hammerschmiede war, sie (oder ein Teil dessen) aber als Meister von 1663 an wohl  führte und dass die ersten Grogg-Generationen die Kunst des Hammerschmiedens bei ihm erlernten.

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Hammerschmiede in Worblaufen aus dem 16. Jahrhundert  (Kupferstich), wo unser Andres Ärni wohnte und auch als Hammerschmied-Meister arbeitete. Aus der Jubiläumsschrift ”100 Jahre Hammerwerke Müller / Worblaufen 1844 – 1944”, die mir freundlicherweise Herr Andres Müller überreichte.

Andres Ärnis Nachkommen


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Samuel
Sein erster Sohn Samuel siedelte nach der Heirat (1679) mit Catharina Grogg nach Frutigen über, wo alle seine 4 Kinder, Niclaus (1683), Bendicht  (1686), Christen (1689) und Catharina (1691), geboren und getauft wurden. Einen Hinweis auf seine Berufstätigkeit ist z.Z. nicht vorhanden. Die Tatsache aber, dass zwei seiner Kinder ehrenwerte ”Castlane” (Landvögte) zum Taufpaten hatten, lässt darauf schliessen, dass Samuel ebenfalls Schmied von Beruf war und dank Vaters Beziehungen zu der Berner Obrigkeit aus der Schmiedenzunft eine Stelle in Frutigen bekam. Seine Söhne führten vermutlich die Berufs-tradition der Familie fort. Alle 3 Söhne wanderten später aus Frutigen aus und bildeten eigene Familien.


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Ansichtskarte von Frutigen. Hinter meterdicken Mauern befindet sich das Archiv.


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Niclaus 1683
Von Frutigen zieht Niklaus nach Unterseen bei Interlaken, wo er sich als Hintersäss niederlässt. 1708 heiratet er Elsbeth von Allmen von Unterseen.  Alle seine fünf Kinder und zwei seiner Enkelkinder sind in Tauf-, Ehe- oder Totenrödeln von Unterseen aufgeführt.
Keine Hinweise fanden sich über den ersten Sohn Hans (1709) und den dritten Sohn Casphar (1715). Es bieten sich verschiedene Vermutungen an, dass sie ledig blieben, im Kindesalter gestorben sind, in fremde Länder auswanderten oder als Söldner in fremden Armeen dienten. Ihr Schicksal wird wohl für immer unbekannt bleiben. Catharina (1717) muss noch im Säuglingsalter gestorben sein, denn ihr letztes Kind wurde ebenfalls Catharina getauft (1718). Als Taufpate wird hier der Spengvogt Christen Schmocker erwähnt. Catharina heiratet 1742 den Einheimischen Hans im Boden.
Sein zweiter Sohn Niklaus (1711) heiratet 1742 zuerst Catharina Kobel von Rüderswyl, die 1753
kinderlos im Alter von 42 Jahren stirbt. Zwei Jahre später heiratet er seine zweite Frau, Anna Palmer von Wilderswil. Über die zwei Kinder aus dieser zweiten Ehe, Anna (1756) und Niklaus (1760), fanden sich keine weiteren Angaben. Dieser Familienzweig ist ausgestorben.


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Taufrodeleinträge von: Niklaus 1683 und Bendicht 1685



Bendicht 1685
Verheiratet mit Maria Hüsler von Wattenwil zieht Bendicht nach Echallens ins damals bernische Waadtland, wo ihre beiden Töchter Madeleine (1711) und Susanne (1716) auf die Welt kommen. 
Wann und warum kam Bendicht nach Echallens? Nachforschungen im Staatsarchiv Lausanne blieben erfolglos. Einen einzigen Anhaltspunkt über das Umfeld von Bendicht befindet sich im Taufeintrag seiner Tochter Madelaine (1711). Die Namensgeberin und Taufpatin war «Mme la Chatelaine Mestrezat, Madelaine Panchaud» aus Echallens. Keine geringere Person als die Schlossherrin selbst. Es zeugt wiederum davon, dass auch die dritte Aerni-Generation gute Beziehungen zur Obrigkeit pflegte. Bendicht sowie seine Brüder Niclaus und Christen übten vermutlich ebenfalls das Schmiedehandwerk aus.
Susanne (1716) ist die Urenkelin von unserem Urvater Andres Aerni. Nach Andres spielt Susanne die 2. Schlüsselrolle in der Familiengeschichte.  Die weitere Existenz des Geschlechts der Aernis von Bolligen hängt gänzlich von ihr ab. Im Alter von 29 Jahren gebärt sie im Dezember 1745 in Croisette bei Lausanne einen unehelichen Sohn, namens Jean Jaques. Genau zu dieser Zeit verschärfen sich die Moral-vorstellungen der Obrigkeit massiv und uneheliche Kinder passen nicht mehr ins Sittenbild. Natürlich wurden viele Mädchen trotzdem geschwängert, vor Chorgericht zitiert, um dort den Vater des Kindes zu ermitteln und zu bestrafen. Es wurde geheiratet und die Sache galt als erledigt. Zweifelte ein Mann aber an seiner Vaterschaft, berief er sich auf die «Genist». Bei der Geburt wurde die Mutter nochmals von zwei vom Chorgericht delegierten Personen intensiv über den richtigen Vater befragt. Meistens blieb es beim erstgenannten Namen und die Vaterschaftsfrage war beschlossen. In beiden Fällen musste sich eine Frau nicht vor einer Strafe fürchten, denn es war immer der «Zeuger», der bestraft wurde.
Was aber die Moral- und Gesetzeshüter in ihren Gesetzen nicht vorsahen, war der Fall, dass eine Frau den Mut aufbrachte, der Obrigkeit überhaupt keinen Namen zu nennen. Genau das tat unsere Susanne. Sie weigerte sich vor, während und nach der Geburt, den Vater Ihres Kindes zu offenbaren. Dieser Fall war höchst ungewöhnlich. Berner Genealogen bestätigten mir die ausserordentliche Seltenheit eines solchen Verhaltens. Voller Bewusstsein lieferte sich Susanne einer Bestrafung aus. Aber wer sollte diese noch ungeschriebene Strafe fällen? Das örtliche oder das heimische Chorgericht? Der Fall kam vor das Berner Oberchorgericht. Aus den Akten konnte ich entnehmen, dass sogar das Oberchorgericht nicht eigenmächtig sondern auf Weisung des «Hochwohllöblichen Rates» das Urteil fällte.
In diesem Fall erfolgte eine drakonische Strafe: «So solle Sie so lang von Stadt und Land banisiert seyn, bis Sie der Gmeind Bolligen, zu handen des Armenguts, für das Burgerrecht dieses Kindts, welches zu Bolligen soll daheimb seyn, 500 Pfund werde erlegt haben». Diese hohe Geldstrafe, was dem heutigen Betrag von 15`905 Fr. entspricht, hinterlegte Susanne dem Kirchmeyer von Bolligen aber bereits am 4. Februar 1746. Aus den Chorgerichtseinträgen von Bolligen ist zudem ersichtlich, dass der Gemeinderat von Bolligen mit diesem Urteil nicht einverstanden war und sich mit einer «Supplication beschwärt», die aber abgewiesen wurde.
Es bleibt bis heute ein Rätsel, warum Susanne eine solche Last auf sich nahm.  Wie sich ihr weiteres Leben gestaltete, wissen wir nicht. Es gibt keine weiteren Eintragungen in den Kirchenbüchern von Bolligen.




Christen 1689
Christen Ärni, verheiratet mit Verena Srauffer aus dem Heimberg bei Thun kam in die Heimatgemeinde Bolligen zurück. Auch hier stossen wir bei der Taufe ihrer Kinder,  Jacob (1715), Rosina Barbara (1718), Christian (1720) und Johannes (1722) auf hochrangige Taufpaten, wie der Amman von Bolligen Bendicht Kiener. Die nobelste Taufgeselllschaft vereinigte sich bei der Taufe von Rosina Barbara. Taufpaten waren der Landvogt von Interlaken Von Müller und die zwei  Jungfrauen Rosina Ernst von Bern und Barbara Judith von Zürich. Die Vergabe eines Doppelnamens (Rosima Barbara) in einfachen Bürgerkreisen war zur damaligen Zeit  höchst unüblich.
Über seine zwei letzten Söhne Christian (1720) und Johannes (1722) gibt es in den Rödeln, ausser der Taufe, keine weiteren Einträge. Auch hier ist anzunehmen, dass sie das Erwachsenenalter nicht erreichten oder ledig blieben.

Jacob (1715), der erstgeborene Sohn, hatte mit Barbara Hofer von Walkringen drei Töchter und
somit auch keine männlichen Nachkommen. Im Jahre 1738 erwarb Jacob einen Teil einer Liegenschaft, das sogenannte «Taunerhaus im Schermen» bei der Papiermühle. Dieses unter Heimatschutz stehende Taunerhaus kann man noch heute bewundern.  Siehe «Kauff Brief von 1738».

Jacob war Wegmeister beim Bau der neuen Handelsstrasse «La Grande Route», die von Genf nach Zürich führte. Nicht weit von seiner ersten Liegenschaft entfernt kaufte er 1762 ein Tagenerhaus, erbaut an einer der schönsten Lagen im Äspliz, wo der Kirchweg von Worblaufen her die alte Solothurnstrasse querte. Dazu erwarb 1764 der «ehrsame Jakob Ärni» von Urs Rohrer ein Stück Ackerland auf dem Äspliz von ungefähr 1 1/2 Jucharten und 1771 kaufte er dem Marti Stempfli, dem Chorrichter zu Habstetten, das «Bruggmätteli ob der Papiermühle» ab. Jacob starb 1782 im Alter von 67 Jahren an Fieberblattern. Aus dem Auskaufbrief von 1783 ist zu entnehmen, dass das ganze Haus samt Hofstatt seine zwei hinterlassenen Töchter erbten. Die jüngste Tochter Elsbeth (1747), verheiratet mit Niklaus Witschi von Jegens-torf, übernahm das ganze Haus «aussert einem Häfeli und 1 Stüki Bet», welche der ersten Tochter Barbara (1736), verheiratet mit Hans Stör von Heimiswil, zugeschrieben wurde und die sich auszahlen liess.

Jacob Ärni war wohl ein angesehener Bürger. Im «Urbahr der Bodenzinsen
der Kirche Bolligen» von 1735 wird er «imnahmen und als Vogt» der Gebrüder Bendicht und Niklaus Kunz erwähnt. Aus dieser Famile heiratete der Neffe Jean Jaques (1745), der Sohn von Susanne,  später Elsbeth Kunz. Im «Mandatenbuch» wird 1757 der Gemeinde Etat erfasst. Unter «Ittigen» ist Jacob Ärni mit 6 Personen aufgeführt. Jacob mit seiner Familie zählen 5 Personen. War diese 6. Person sein 12-jähriger Neffe Jean Jaques? Diese kleinen Zusammenhänge deuten darauf hin, dass Jean Jaques bei seinem Onkel aufgewachsen ist.

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Das 1757 erbaute Tagenerhaus im Aespliz


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Das Taunerhaus im Schärmen


Im Staatsarchiv Bern fand ich in den Grundbüchern einen dreiseitigen Eintrag über einen «Kauff Brief» von 1738 (Abb. nächste Seite). Magdalena Bühlmann, die Frau des Zimmermanns von Bolligen, verkaufte unserem Jacob Ärni (geb. 1715) einen Viertel  des heute unter Heimatschutz stehenden Taunerhauses beim Schermen.


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Zu wüssen seÿe hiermit demnach die Erbare Magdalena Bühlman, Michel Rohrer des Zimmermans von Bolligen Ehefrouw sich dermahlen bemüsiget siehet, zu gestellung der,  von Ihrem Eheman, schon seit 5 Jahren, aussert lands abweesenden gemachten, und Ihra überlassenen Nachspecificienten Schulden, und bis hieher aufgeloffenen Zinsen, Ihr Hauswesen, anderst ein-zurichten. Als hat Sÿ darauffhin, mit handendt: gewollt dass achtbahren und wohlbescheidenen Bendicht Krebsen des Ammans K:H: Gmeind Bolligen, als Ihres hierzu fründdl. erbättenen Vogts, demme sÿ auch der Vogtheÿ hirrin anred und bekantlich ist. Vor Sÿ und Ihre erbare verkaufft  und wir gemelt umb verhoffenden besseren (Nutzen) ugend Willen  und Zustand Ihrer Hushaltung wegen, wir auch damit Ihr Eheman beÿ Ehren bleiben möchte, in  bester formb zu kauffen gegeben hat.

Dem Wohlbescheidenen Jacob Ärni von gedeütem Bolligen, und seinen Erben.
Namlichen, einen von Ihrem Eheman Ao. 1727 erhandleten Anteil einer Behausung beÿ der Papÿr Mühle, bgreifft ein Stuben, der Obergaden, ein Kuchi und Kuchigaden, ein Nebenstuben, an der Dach und Einlegung der 4te theil sambt dem Scheürli vor dem Haus mit demzugehörigen Erdrich so ohngefehrd den 4. theil einer Jucharte haltet, stosst erstlich an Hans Rohrers, zum anderen an Niclaus Zauggs Erdrich, drittens an das Haus und wider an den ersten Anstoss. Obige Antheil Behausung und Scheürlein, mit allem dem was Nagel und Nuht insichfasset undbegreifft, das Erdrich dan, mit Grund und Boden, Stäg und Wäg, Zu- und Abgang, samt den darauf stehenden zahmen und wilden Bäumen, auch aller anderer Rechtsammen und zugehördt, in form, weis und gstallt, wie solches vorbesagt Ihren Eheman laut dem Keüfferen übergebenen Kauffbrieff erhandlet worden, und sich dermahlen im Wesen befindet, ...chet daruff Jährl. abzurichten in Ihr.........an Gelt 2: bz
So ist selbiger an zinsbahr ablösigem Haubtguht  Verschreiben Mehhl. Obrist Sinner an Capital  «400».–
Der von stechen Zwer aus 8 3/4 verfallene Zinsen weilen aber Mehhl. Obrist aus christlichem Mitleiden der Verkäufferin 4 3/4  Zinsen nachgelassen, als thut Sÿ dem Käufferen die 4. Lasten übergeben u, ansezen mit  80.–
Deren gegen Mehfr. Seckelmster Stüeler Caps. 123   6. 8.
Darvon stechen aus 6. verfallene Zinsen,  worvon Ihre  der verkeüfferin auch 4 aus milter Gütte geschenkt, die anderen 2 ob von Ihre dem Keüfferen angesetzt werden   12   6. 8.       thut zusammen  615 13. 4.
Im übrigen ist alles aussert gemeinen Herrschaft Rechten freÿ ledig und eigen. Kauffsum für 616. 13.4  Bern Währung sambt 5 zum Trinckgellt woran der Keüffer alsobald paar entrichtet und bezahlt hat 1: sambt dem trinckgellt.

Die übrigen 615: 13: 4:  so in obig verschreibenen Capitalien und angesetzten Zinsen bestechet verspricht er von dato dis an, über sich zunehmen, und solche ohne der verkeüfferin, noch der Ihrigen Entgelt abzurichten und zubezahlen.
Da dan bis dahin das Verkauffte, neben sein des Keüfferen und seinen Erben, Haab und Güettheren, Ihre der Verkeüfferin v. Ihren Erben, sicher under pfant seÿn und verbleiben soll. Die (G)utzeüch , Lohsehs Sezung sambt gebührender Währschaffttragung ad forma..  Ehrbarlich und ohne Gesehed Zeügen, die Ehrsammen Mster Frantz Gasser d. Derb von Belp, und Mr. Christen Brächbüehl der Küpfer von Lauperswÿll, dermahlen beÿd in Bern  sesshafft Bes..en, da dieses angeben und darin globt worden auch dem Keüfferen Nutz und Schaden angangen den 6ten Tag Christmth des 1738 Jahres.
                           Expediert durch   Unterschrift

                                                                                                    ***                                          
Diesen Kaufvertrag zeigte ich Dr. h.c. Hans Gugger, dem Verfasser des Buches «Ittigen». Seine Vermutung, dass der Bau einem Zimmermann zugeschrieben werden konnte, wurde mit diesem Kaufvertrag bestätigt. Wir können jetzt die ersten Besitzer nennen: der Zimmermann Michel Rohrer, Hans Rohrer und Niclaus Zaugg. Ab 1738 bis 1762 gehörte ein Viertel dem Wegmeister Jacob Aerni.

Das “Taunerhauses im Schermen” bei der Papiermühle ist im «Ittigen»-Buch ausführlich beschrieben. ”Im vorderen Schermen 14 - 18 ist ein in mehrfacher Beziehung aufschlussreiches Bauwerk von über-regionaler Bedeutung erhalten geblieben. Es ist im Jahre 1718 in einer typischen Taunerhaussituation errichtet worden. An einem nach Norden exponierten Hang steht das Haus direkt am Weg, der früher talseits von der Worblen arg bedrängt worden ist. Im Graben, der durch die wohl hochmittelalterliche Strassenführung verursacht worden war, hat vermutlich der Besitzer des Schermengutes den vier Taunern, die sich zum gemeinsamen Hausbau zusammengefunden hatten, dies wenig ertragreiche Stücklein Land überlassen. Hier fügten sie unter einem gemeinsamen Dach vier selbständige Hausteile von nur wenig abweichenden Grundrissen zusammen. Durch vier separate Eingänge mit zierlich gerundeten Türstürzen betrat man eine zwei Stockwerke hohe Rauchküche, die an den Rauchschlitzen der traufseitigen Wand heute teilweise noch zu erkennen ist. Die Feuerstelle befand sich an einem rechtwinklig gemauerten Wandsegment. Von der Küche gelangte man in die Wohn- und von da in die kleine Nebenstube. Eine Aussentreppe führte in jedem der vier Teile über eine kleine traufseitige Laube zu den zwei Kammern im oberen Stockwerk. Das Gebäude ist nur zu einem kleinen Teil unterkellert. Strassenseitig erkennt man an der grossen Fensteröffnung des östlichen Hausteiles den typischen Webkeller. Auf einem Bundbalken der Westseite ist nur noch schwer lesbare Inschrift aufgemalt: O` HER BIWAR DIS HUS UND WÄR DA GET YN UND US”.  Der verwendete Schrifttyp und die altertümliche Form der Fenstergesimse, die eher ins späte 17. Jh. weisen, stellen die Zuverlässigkeit der auf der Südseite eingekerbten Jahrzahl 1718 als Baudatum in Frage. Laut dem Grundbuchplan von 1874 gehörten zum Haus vier ungleichgrosse bescheidene Landparzellen, auf denen je ein kleines Gebäude für die Kleintierhaltung standen.”

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Die Rekonstruktionszeichnung zeigt die Konstruktion des Rafendaches mit den drei «unechten» Hochstüden und die zwei Wohngeschosse, deren Zentrum vier Rauchküchen bilden.

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Das unter Heimatschutz stehende Taunerhaus im Schermen